OT:
Forhøret
Jahr: DK 2019-2023
R, B: Christoffer Boe
B: Anna Juul, Lasse Kyed Rasmussen u.a.
K: Sine Vadstrup Brooker, Jacob Møller u.a.
M: Anthony Lledo, Mikkel Maltha
D: Ulrich Thomsen, Trine Dyrholm, Lars Mikkelsen, Søren Malling
Deutsche Erstausstrahlung: 2021 (arte)
Staffeln: 3 mit 8 Episoden à ca. 25 – 30 Minuten
Quelle: TV (arte)
Erst denkt Bjørn Rasmussen (Ulrich Thomsen), Cop in Kopenhagen, an einen Routinejob: Er soll für einen verhinderten Kollegen eine neue Kalte in der Leichenhalle in Empfang nehmen. Verdacht Suizid. Doch der Tag ist richtig gebraucht, als sich die Tote auf dem Obduktionstisch als Bjørns Tochter Christina (Alma Ekehed Thomsen) entpuppt, zu der er nur noch sporadisch Kontakt hatte.
Bjørn glaubt nicht an Selbstmord und beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln. Mit seiner ruppigen Art und seiner Beharrlichkeit stößt er schnell auf Widerstände – auch in den eigenen Reihen. Doch enthüllt sich immer mehr, dass Christina Facetten hatte, die er sich nicht mal im Traum hatte vorstellen können.
Auf eben diese Facetten und düstere Familiengeheimnisse stoßen später auch Susanne Engholm (Trine Dyrholm), Bjørns Ex und Christinas Mutter, sowie der schwerreiche Bauunternehmer Holger Lang (Lars Mikkelsen). Letzterer hatte Christina einige Monate vor ihrem Tod kennengelernt und protegiert. Sowohl Susanne als auch Holger später wollen Licht in das komplexe Geschehen bringen.
Hauptcharaktere:
Bjørn Rasmussen:
Bjørn hat sich durch seine brüske Art privat in die Isolation katapultiert. Zwar liegt ihm die Familie am Herzen, doch reißt er mit dem Arsch gerne ein, was er errichtet hat. Zu Christina hat er den Kontakt weitgehend verloren, auch wenn beide eigentlich anderes woll(t)en.
Susanne Engholm:
Bjørns Ex-Frau glaubt erst nicht an seine Mordtheorie und hält wie viele andere auch sein Vorgehen für paranoid. Doch mit der Zeit ändert sie ihre Meinung. Nachdem der unheimliche John (Olaf Johannessen) ihre psychologische Praxis besucht und unter Hypnose einen Mord angekündigt hat, stellt sie eigene Nachforschungen an.
Holger Lang:
Leitet ein großes Familienunternehmen, einen Baukonzern. Er lernt Christina zufällig kennen und ist von ihrem Potenzial begeistert. Fortan nimmt er sie unter seine Fittiche. Nach ihrem Tod verdichten sich die Hinweise, dass seine Familie mit drinsteckt in den Geschehnissen.
Die Kritik des Gunslingers
Ich muss ja zugeben, dass mich als Freund des skandinavischen Kinos auch der sogenannte Nordic Noir abholt. Er zeigt die kriminalistischen, sozialen und psychologischen Verwerfungen, die Legoland, Saltkrokan oder Bullerbü in die Realität holen. Auch im oft etwas verschlafen, immer aber irgendwie idyllisch wirkenden Skandinavien-Idyll lauern Abgründe der heftigeren Art. Die reichen von Mord und Gier bis zur Polizeikorruption.
So ist es auch hier. Die Ehe von Susanne und Bjørn ist gescheitert; die Beziehung zur einzigen Tochter mehr als problembehaftet. Wer Bjørn als Psycho bezeichnen würde, würde nicht ganz falsch liegen. Dabei wollen sie alle eigentlich nur eine heile Familie und müssen angesichts ihrer komplizierten Charaktere doch scheitern – trotz aller ehrlichen Bemühungen. Holger leidet als Chef eines mächtigen Familienunternehmens eh unter extremem Misstrauen. Auch er ist damit ein Getriebener, für den die Nachforschungen zu Christinas Tod zudem einige üble Überraschungen bereithalten.
Auch strukturell ist die Serie großartig. Die drei Staffeln nehmen jeweils einen anderen Charakter ins Zentrum: Bjørn, Susanne und Holger. Jede Staffel umfasst genau einen Tag. Die Protagonisten erhalten am Ende jeder Folge einen weiteren Informationsbrösel, der sie weitermachen lässt. Mal abgesehen von den persönlichen Verfehlungen, Versäumnissen, Traumata, denen es sich zu stellen gilt.
In jeder Folge trifft die Hauptperson einen, höchsten zwei weitere Menschen, die mit den Geschehnissen in Verbindung stehen. Das hat teilweise Kammerspielcharakter. Während es in der ersten Staffel hauptsächlich um das „Was ist überhaupt geschehen“ geht, behandelt die zweite Staffel das „Wer“ und Staffel drei das „Warum“. Da ist man dann auch ganz schnell fertig mit „Hygge“ *lach.
Dabei kann die Serie ihre Spannung bis zur letzten Folge ganz oben halten. Bemerkenswert dabei ist, dass sich diese Spannung nicht aus den vorhandenen Thriller- oder Actionmomenten zieht. Das schaffen fast ausschließlich die intensiven, teilweise durchaus gewalttätig verlaufenden Gespräche und die psychologische Situation der Figuren mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen. Wem ist noch zu trauen? Wer lügt; wer ist ehrlich?
Dafür braucht’s natürlich hervorragendes Personal. Doch das ist in Dänemark ausreichend vorhanden. Ulrich Thomsen („Das Fest“), Trine Dyrholm („In China essen sie Hunde“) und Lars Mikkelsen („Headhunter“), die die Hauptfiguren in den einzelnen Staffeln verkörpern, sind schon eine Bank. Und auch der übrige Cast ist top besetzt. „CC“ (Dar Salim), ein ehemaliger Patient Susannes und Afghanistan-Veteran, der ihr anfangs nur widerstrebend hilft, war übrigens die Hauptperson in der Nordic-Noir-Serie „Krieger“. Ebenfalls aus der Schmiede von Christoffer Boe.
Top notch, liebe Freunde.
Rating: $$$$$
Splatter: 3/10