Rocker

OT: Rocker

Jahr: D 1972
R, B: Klaus Lemke
K: Bernd Fiedler, Anna Harnisch
M: diverse (u.a. Stones, Santana, Led Zep, Them)
D: Hans-Jürgen Modschiedler, Gerd Kruskopf, Paul Lys, Marianne Mim

Quelle: TV (3sat)

Filmausschnitt

Mark (Hans-Jürgen Modschiedler) ist 15, wohnt bei seiner älteren Schwester Helga in Hamburg und macht unwillig eine Lehre in einem Supermarkt. Eines Tages platzt Ulli (Paul Lys) in die gute Stube, Bruder von Mark und Helga, Kleinganove und schwarzes Schaf der Familie. Ulli ist komplett blank, zumal er einen geklauten Benz nicht wie geplant verscheuern konnte, sondern von seinem Zuhälter-Kunden kräftig übern Leisten gezogen wurde.
Ulli also krallt sich Marks Erspartes und will sich verkrümeln, doch hat er jetzt den kleinen Bruder an der Backe. Der vergöttert den Taugenichts und zieht mit ihm durch die Gemeinde. Endstation ist nach unzähligen Herrengedecken dann der Zuhälter vom Vortag, dem Mark und Ulli wieder zufällig und fatalerweise übern Weg laufen: Der verpasst Ulli zusammen mit einem Kollegen eine finale Abreibung mit dem Bleirohr.
Mark kann abhauen, soll aber anderntags zu den Eltern nach Cuxhaven, da Helga mit dem Kurzen nicht mehr fertig wird. Doch statt am Bahnhof Hamburg Dammtor landet der Schlingel am Flughafen, weil er in der S-Bahn die Haltestelle mit noch besoffenem Kopf verpennt. In einer Kaschemme unweit der Endstation trifft er auf Rocker Gerd (Gerd Kruskopf) und ein paar Kumpels. Gerd hat auch kräftig Stress: auf Bewährung aus Fuhlsbüttel draußen, Freundin Sonja (Marianne Mim) von der Fahne, keinen Job und total blank.
Nach einem ordentlichen Besäufnis und um 4.000 D-Mark reicher, die man ein paar naiven Engländern bei einem Drogengeschäft abgenommen hat, fahren Gerd und Mark per Bike in Richtung Cuxhaven. Dass man schlussendlich wieder in Hamburg landet, ist aber sowas von abgemacht, Leute.

Zitate:

„Pass mal auf, dass ich dir keine rein hau‘, Torte!“ (Gerd raspelt Süßholz mit Sonja)
Ulli „Wenn du rauchst, kannst du auch saufen.“ (Immer auf den älteren Bruder hören)
Gerd: „Ich stech‘ dich ab, du Scheißhaus-Fotze!“
Ulli: „Was ist mit dir? Noch nie ‘ne Alte geknüppelt?“
Gerd: „Dir ist doch alles egal, du kalter Puffer.“

Die Kritik des Gunslingers

Klaus Lemke macht in seinem dritten Langfilm fürs Fernsehen einen alk- und nikotingeschwängerten Zug durch den Hamburger Kiez. Ein echter Genrestreifen, in dem die Hamburger Rocker der „Bloody Devils“ fürs knatternde Hintergrundrauschen sorgen. Im Jahr darauf bildeten die Devils übrigens das erste deutsche Charter der Hell’s Angels. Erstaunlicher aber ist die Tatsache, dass der Film im Auftrag des ZDF entstanden ist. Damals hatte sich Fernsehen also offensichtlich mehr getraut als heute.
Neben den Bloody Devils besteht auch der übrige Cast überwiegend aus Laiendarstellern. Der Umgang miteinander ist so roh wie die Sprache. Letztere sorgt trotz des eigentlich traurigen Geschehens immer wieder für ordentlich Spaß in den Backen des Beschauers. Und auch der Schnitt ist sehr unmittelbar, knallhart am Rand der Dialoge. Die Kameraarbeit, häufiger aus der Hand, tut ein Übriges, um dem Film einen rauen, fast dokumentarischen Charakter zu verleihen. Dazu gibt’s Hamburg satt. Auf der Tonspur findet sich Einschlägiges von Led Zeppelin, den Rolling Stones, Santana oder auch Them.
Bis zum Aufeinandertreffen von Gerd und Mark laufen die beiden Handlungsstreifen weitgehend unabhängig nebeneinander her. Einzige Verbindung ist das Kröschen zwischen Uli und Sonja, die aus dem Rockerdunstkreis aussteigen will. Allerdings schmeißt sie sich dem nächsten an den Hals, der nicht mal mit sich selbst klarkommt. Wir schauen den Protagonisten zu, wie sie sich abstrampeln, versuchen, Kurs zu halten und letztlich dann doch scheitern. Ulli, der Loser, der sich für cool hält, aber nichts auf die Reihe kriegt. Auch als Ganove kriegt er nix gebacken. Es reicht gerade noch, um vor dem kleinen Bruder den Dicken zu markieren. Mark dagegen ist eigentlich ein pfiffiger Typ, aber mit der Pubertät und der Hypothek eines schlechten Starts um den Hals. Und schließlich Gerd, nahezu unfähig zur Kommunikation und zerrissen zwischen dem Rebel-Dasein als Rocker und dem insgeheimen Wunsch nach trauter Zweisamkeit mit Sonja. Was sich aber gegenseitig ausschließt. Am Ende kann auch jede Menge Astra im Gekröse die Verwerfungen nicht planieren.

Rating: $$$$

Splatter: 1/10





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