OT:
Tiger Bay
AT:
Ich kenne den Mörder (DDR)
Jahr: GB 1959
R: J. Lee Thompson
B: John Hawkesworth, Shelley Smith
K: Eric Cross
M: Laurie Johnson
D: Horst Buchholz, Hayley Mills, John Mills, Anthony Dawson
Quelle: DVD (Pidax). Dank fürs Rezi-Exemplar!
Matrose Bronislaw „Bronik“ Korchinsky (Horst Buchholz) mustert nach langem Seetörn in Cardiff ab und freut sich auf den Landurlaub. Den gedenkt er sich mit seiner Quasi-Verlobten Anya (Yvonne Mitchell) zu versüßen. Doch verdächtig: Weder holt ihn Anya vom Hafen ab, noch wohnt sie weiter in der alten Butze.
Als Bronik sein Gspusi aufspürt, erwarten ihn unangenehme Neuigkeiten: In seiner Abwesenheit hat sich Anya umorientiert und macht ihm dies auch unmissverständlich klar. Beim unvermeidlichen, handgreiflichen Zoff erschießt der Gehörnte seine Jetzt-Ex im Affekt und türmt. Die Mordwaffe landet bei seiner Flucht in einem Winkel des Treppenhauses.
Tat und Flucht beobachtet hat die kleine Gillie (Hayley Mills), die auch die verwaiste Waffe an sich bringt. Die Kanone lässt sich hervorragend brauchen, um bei den gleichaltrigen Jungs auf der Straße Eindruck zu schinden. Um das Schießeisen nicht abgeben zu müssen, tischt sie dem ermittelnden Inspektor Graham (John Mills) einer hust etwas frisierte Version der Tat und eine Fantasiebeschreibung des Täters auf.
Aber Bronik hat mitgekriegt, dass er nicht unbeobachtet geblieben ist. Nun muss er wissen, was GiIlie überhaupt weiß. Er lauert der Kleinen auf und erfährt, dass sie alles gesehen, aber die Polizei nicht eingeweiht hat. Die Beiden sind sich indes sehr sympathisch, und so setzen der flüchtige Bronik und die abenteuerlustige Gillie die Flucht gemeinsam fort. Aber inzwischen sucht die Polizei zwar nicht den Seemann, aber dafür Gillie, die als vermisst gemeldet wurde.
Zitate:
Dr. Das (Marne Maitland): „Lassen Sie Ihr Leben nicht von Gefühlen beherrschen. Meistens lohnt es sich nicht.“ (Trust your landlord, mate)
Anya: „Dieses Jahr mit dir war schlimmer als die Zeit im Flüchtlingslager.“
Gillie: „Sie haben ja eine Pistole: Sie können sich den Weg freischießen. Hab‘ ich mal im Kino gesehen.“
Die Kritik des Gunslingers:
Gleich mit seinem ersten englischsprachigen Streifen haut Horst Buchholz richtig einen raus. Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass es sich hier, wenn nicht um seine beste, so doch um eine seiner besten Arbeiten handelt. Eine, wie ich finde, großartige Szene beispielsweise kommt komplett ohne Worte aus, sondern fußt einzig auf der schauspielerischen Kraft von Buchholz: Als sich Gillie und Bronik während ihrer Flucht in Cardiff herumtreiben, mahlt es in Korchinsky, ob er die Kleine, die ihm potenziell gefährlich werden kann, nicht kurzerhand im Hafenwasser ersäuft. Wäre ein Problem weniger…
Und auch Hayley Mills, Kinderstar der 1950er-Jahre, macht ihre Sache klasse. Ihr nimmt man jederzeit die schräge, etwas einsame, aber selbstbewusste Gillie ab, die sich mit dem verzweifelten Matrosen anfreundet. Fast Geschwister im Geiste. Damit sind wir auch schon bei einem der wesentlichen Punkte auf der Habenseite des Films: die Darsteller. Hayleys Vater John, und auch Yvonne Mitchell in ihrem naturgemäß eher kurzen Auftritt hinterlassen Spuren. Wie ebenso Anthony Dawson als Anyas Neuer, der ins Fadenkreuz der Mordermittlungen gerät.
Neben seinem Dramapotenzial hat der Film natürlich eine gewisse Thrillerthematik. Dabei verwendet er das Motiv „Kind ist einziger Mordzeuge, und Täter kriegt es mit“, das auch in anderen Streifen auftaucht, wie „Das unheimliche Fenster“ (1949) oder „Ein Junge schrie Mord“ (1966). Allerdings haben wir es hier nicht mit einem Kriminellen zu tun, sondern einem grundguten Typen, der eher durch Zufall zum Mörder geworden ist. Insofern ist es nicht die angestrebte Beseitigung des unliebsamen Zeugen, sondern die sich entwickelnde starke Freundschaft zwischen den ungleichen Fluchtgefährten, die für Spannung sorgt.
Ganz stark das Finale. Gillie sabotiert mit allen Mitteln, die Arbeit der Polizei, um Bronik Zeit zu verschaffen. Der nämlich versucht auf einem venezolanischen Frachter Richtung Caracas die Dreimeilenzone hinter sich zu lassen und so einem drohenden Knastaufenthalt zu entkommen.
Eine schöne Kameraarbeit und Impressionen aus Cardiffs damaligem „Melting Pot“ Tiger Bay runden ab.
Rating: $$$$$
Splatter: 0/10