OT: High Noon
Jahr: USA 1952
R, M: Fred Zinnemann
B: Carl Foreman
K: Floyd Crosby
M: Dimitri Tiomkin
D: Gary Cooper, Grace Kelly, Katy Jurado, Lloyd Bridges
Quelle: TV (arte)
Marshall Will Kane (Gary Cooper) hat über viele Jahre das Nest Hadley Ville zu einem friedvollen Weiler gemacht. Nun ehelicht er seine Quäkerbraut Amy (Grace Kelly) und hängt den Sheriffstern an den Nagel, um irgendwo einen „kleinen Laden“ aufzumachen. Soweit der Plan.
Doch schon während der Trauung zieht Unheil herauf, als drei Galgenstricke (Sheb Wooley, Robert J. Wilke, Lee Van Cleef) in Hadley Ville einreiten. Die Jungs sind Mitglieder der Gang von Frank Miller (Ian MacDonald): Miller, ein „tollwütiger Hund“, hatte Kane einst Rache geschworen, als der ihn wegen Mordes eingelocht hatte. Da er entgegen aller Wahrscheinlichkeiten nicht am Strick endete und dazu später auch noch komplett freigesprochen wurde, bekommt Millers Racheschwur eine neue Dynamik. Mit dem Mittagszug soll der Killer in der Stadt eintreffen, am Bahnhof erwartet von seinen treuen Schergen.
Kane schnappt sich entgegen aller guten Ratschläge seinen Stern wieder. Das gibt nicht nur den ersten Ehestress, sondern – viel schlimmer – jede Menge Frustration: Denn auf der Suche nach Hilfssheriffs, um die Sache zu bereinigen, beißt der Marshall bei seinen Mitbürgern gnadenlos auf Granit. Zwei Stunden später schlägt’s zwölf, und Kane steht ganz alleine, als der Zug in Hadley Ville einläuft.
Zitate:
Hotelangestellter (Howland Chamberlain): „Hier gibt es heute garantiert noch viel zu sehen.“
Helen Ramirez (Katy Jurado): „Ich lasse nicht zu, dass man mich anfasst, wenn ich es nicht gestattet habe.“
Die Kritik des Gunslingers
Fred Zinnemann war einer der vielen europäischen Regisseure, die deutliche Spuren im US-Kino hinterließen. Bereits in den späten 1920ern war er in die USA emigriert und startete seine Filmkarriere in den 1930er-Jahren. Richtig Fahrt auf nahm sie erst knapp zehn Jahre später, als er mit „Das siebente Kreuz“ größer auf sich aufmerksam machte. „12 Uhr mittags“ ist bis heute – vielleicht neben „Verdammt in alle Ewigkeit“ – sein bekanntester Film.
Vorliegender Streifen sollte sein einziger Ausflug in das wohl amerikanischste aller Filmgenres bleiben. Und wohl das erste Mal war der Titelheld eines Westerns so unamerikanisch angelegt, dass es später Patrioten wie dem Duke sauer aufstieß. Anstatt trotz der aussichtslosen Sache mit dicker Hose und einem gewissen Hurra-Optimismus ins Gefecht zu schreiten, ist Marshall Kane geprägt von Selbstzweifeln und – ja – Angst. Und auch seine Mitbewohner scheren sich einen Teufel um amerikanische Werte wie Stolz oder Patriotismus. Dankbarkeit ist zudem ein Fremdwort. Jeder ist sich selbst der Nächste; ein Teil der Bevölkerung fraternisiert aus geschäftlichen Gründen sogar ganz offen mit den Schurken. Der Rest führt fadenscheinige Ausflüchte an, um sich nicht die eigene Angst einzugestehen. Und bald zieht man sich in Hadley Ville auf den Standpunkt zurück, dass die Geschichte allein Sache zwischen Kane und Miller ist, eine Privat-Fehde, die mit der Stadt nicht das Geringste zu tun hat. Und Kane solle mal besser von sich aus schnell in den Sack hauen, damit der Ruf der Stadt nicht Schaden nimmt durch eine überflüssige Schießerei.
Der Streifen hat kaum Außenhandlung: Wir begleiten Kane auf seinem Zug durch die Gemeinde und seiner Suche nach Verbündeten. Der finale Shootout ist dann erstaunlich unspektakulär und schnell abgehakt. Die Spannung entsteht vor allem daraus, dass der Film nahezu in Echtzeit erzählt ist. Kane hat knapp zwei Stunden Zeit, um seine Angelegenheiten zu regeln, bevor der Mittagszug eintrifft. Immer wieder zeigt die Kamera die Uhrzeit, blickt über die leeren Bahngleise, die sich in der Ferne verlieren. Teilweise ist der Schnittrhythmus dem Schlagen der Kirchturmglocke angeglichen. Die Bahnhofszene, in der die drei Spießgesellen auf ihren Boss warten, hat Leone 17 Jahre später in seinem fantastischen Intro von „Spiel mir das Lied vom Tod“ noch einmal verarbeitet. Jack Elam, einer der drei Banditen bei Leone, hat auch hier übrigens einen kleinen Nebenauftritt: Er ist die Saufeule, die Gary Cooper kurz vor Beginn der Konfrontation mit Miller noch aus dem Knast entlässt. Und ein weiterer spätere Star des Italowesterns macht hier erstmals seine Aufwartung auf der großen Leinwand: Lee Van Cleef ist als Mitglied der Miller-Gang zu sehen. Hier hat er aber noch keinen Dialog, sondern darf nur ab und an auf der Bluesharp rumtröten. Vielleicht auch eine Geschichte, die Sergio Leone später in seinem Western im Charles-Bronson-Charakter „Harmonica“ aufgegriffen hatte. Das ist aber Spekulation.
Noch ein Wort zu Katy Jurado: Sie legt die mexikanische Geschäftsfrau eine weit abseits der US-geprägten Klischees der „leidenschaftlichen“ Mexikanerin an. Hier wird also nicht mit Geschirr oder Messern nach irgendwelchen Lovern geworfen oder wild herumgezetert. Helen Ramirez ist würdevoll, rational, very distinguished halt ;-).
Alles in allem ein bemerkenswerter, weil bei näherem Hinsehen komplett aus der Rolle fallender US-Western.
Rating: $$$$$
Bodycount: 4 Gringos
Luv‘: Hier geht schon was, und zwar auch in Sachen verflossene Liebe ;-): 3/10
Splatter: 1/10