OT:
Night Hair Child
AT:
Diabolica mica (SP)
La tua Presenza nuda! (I)
Der Zeuge hinter der Wand
Jahr: GB/I/SP/D 1972
R: James Kelley, Andrea Bianchi
B: Trevor Preston, Andrea Bianchi (nicht kreditiert)
K: Harry Waxman, Luis Cuadrado
M: Stelvio Cipriani
D: Mark Lester, Britt Ekland, Hardy Krüger, Lilly Palmer
Quelle: DVD (Pidax). Dank fürs Rezi-Exemplar!
Nachdem Gattin Sarah (Colette Jack) infolge eines mysteriösen Herzanfalls in der Badewanne die Grätsche gemacht hat, ist Schriftsteller Paul Bezant (Hardy Krüger) reif für was Neues. Zwei Jahre später ist er Besitzer eines neuen Hauses – eine schnieke Villa in der spanischen Provinz – und verheiratet mit der 20 Jahre jüngeren Elise (Britt Ekland). Soweit also alles tutti.
Als Pauls zwölfjähriger Filius Marcus (Mark Lester) früher als erwartet aus seinem englischen Internat zurückkehrt, kommt Sand ins Getriebe. Denn die Beziehung zwischen Marcus und Elise erweist sich vom ersten Augenblick an als problematisch. So hintertreibt der Junge offenkundig die Ehe, indem er die „Neue“ bei seinem Vater zum Beispiel durch Lügen diskreditiert. Da Paul seinem Sohn in Anbetracht des Todes von dessen Mutter nahezu alles durchgehen lässt, kriselt es bald heftig in der trauten Zweisamkeit.
Elise lässt sich allmählich auf Marcus‘ Psychospielchen ein, deren Ausgang völlig offen ist.
Zitate:
„Du klingst bereits wie Sarah und mehr noch: Du siehst ihr schon ähnlich.“ (Paul zu Elise)
Elise: „Hast du sie geliebt, deine Mutter?“ – Marcus: „Ich denke nicht.“
Elise (zu Dr. Viorne (Lilli Palmer)): „Hören Sie auf, ihn ein Kind zu nennen. Er ist so erwachsen wie Sie und ich!“
Die Kritik des Gunslingers
In diesem Psychothriller stehen weniger Mord und Verbrechen im Mittelpunkt, sondern das in hohem Maße sexuell aufgeladene Kräftemessen zwischen Marcus und Elise. Allein das hatte bei Veröffentlichung zu nicht unerheblichen Irritationen gesorgt. Zumal der Streifen einige explizite Szenen enthält, die in etlichen Versionen der Schere zum Opfer fielen.
Mark Lester zum Zeitpunkt des Drehs in etwa so alt wie sein Alter Ego Marcus, schafft es, dass der Kurze wahrlich unheimlich rüberkommt: ein erwachsener Psycho in einem Jungenkörper. Frühreif, superintelligent, kaltschnäuzig, berechnend und übergriffig. Wirkt er bei seinem ersten Auftritt nur ein wenig sonderbar, schlägt er schon kurze Zeit später andere Pflöcke ein, als er der telefonierenden Elise von hinten lüstern an die Brust fasst. Da er der totalen Unterstützung seines Vaters sicher ist, sind die Machtpositionen zwischen ihm und Elise klar verteilt. Höhepunkt ist hier die Szene, in der Elise sich in einer Art „Quid pro Quo“ für ihn auszieht: Informationen gegen das Fallenlassen von Slip und BH.
Gleichzeitig spielt der Film mit doppeltem Boden. Sehen wir die Realität, oder ist es in Wirklichkeit Elise, die psychisch labil ist, Geschehnisse und Beobachtungen falsch deutet, sich zu dem Zwölfjährigen anders hingezogen fühlt, als es sein sollte? Die zugehörige Schlüsselszene ist das Gespräch, na, ja, besser: Verhör von Elise durch die hinzugezogene Psychologin Dr. Viorne. Im Anschluss gibt es eine rund zehnminütige dialogfreie Montage kurzer Szenen, die auch eine andere Sicht auf die bisherigen Ereignisse erlauben. Dazu passt auch die Leitfarbe Blau, generell eigentlich ein Symbol für Ruhe und Stabilität, im vorhandenen Kontext aber offensichtlich fehl am Platz, geradezu eine Irreführung. Das Bizarro-Finale ist sowieso klasse. Besonders erwähnenswert ist noch der Score von Meister Stelvio Cipriani. Der kredenzt uns im Hauptthema eine säuselnde Frauenstimme auf flauschigem Easy-Listening-Teppich.
Rating: $$$$
Splatter: 2/10