Eleonore – Der gläserne Tod

OT:
Leonor

AT:
Léonor (F)

Jahr: SP/F/I 1975
R, B: Juan Luis Buñuel
B: Roberto Bodegas, Bernardino Zappone, Jean-Claude Carrière
K: Luciano Tovoli
M: Ennio Morricone
D: Michel Piccoli, Liv Ullmann, Ornella Muti, Antonio Fernandis

Quelle: DVD (Pidax). Dank fürs Rezi-Exemplar!

Trailer

Bei einem Ausritt verunglückt Leonor (Liv Ullmann), Ehegespons des spanischen Landedelmannes Richard (Michel Piccoli), so schwer, dass sie kurz darauf stirbt. Der Witwer nimmt sich für die Trauerarbeit indes noch nicht einmal so viel Zeit, wie der Mörtel an der zugemauerten Gruft zum Trocknen braucht: Noch am Tag der Beisetzung heiratet er die junge Dorfschönheit Catherine (Ornella Muti).
Zwar schenkt Catherine ihrem Richard zwei Söhne, doch trauert dieser nach wie vor seiner verstorbenen großen Liebe nach. Ihn plagen Visionen und Schlaflosigkeit, wovon ihn auch Catherine nicht befreien kann. Zehn Jahre später macht ein Fremder (José Maria Prada) dem sich grämenden Richard ein verlockendes Angebot: Wenn es dieser wirklich wünsche, könne er ihm helfen, Leonor zurück ins Leben zu rufen. Allerdings solle man die Toten besser ruhen lassen.
Richard – wie soll es anders sein – schlägt den wohlgemeinten Rat in den Wind und geht auf das Angebot ein. Doch die reanimierte Leonor hat sich verändert.

Zitate:

Fremder: „Ist ein Haufen Staub und Knochen so viel Trauer wert?“

Tomas (Antonio Fernandis): „Es gibt noch Schlimmeres als die Pest.“

Fremder: „Wenn du sie so sehen würdest, wie sie jetzt ist, würde sich deine Liebe in Hass und Abscheu verwandeln.“ (Manchmal sollte man gute Ratschläge auch mal annehmen)

Die Kritik des Gunslingers

Im Jahr seines Erscheinens wurde dem Streifen auch zum Verhängnis, dass der Verleih versuchte, ihn unter der Flagge „Sex’n’Horror“ segeln zu lassen. Dieses falsche Etikett konnte der Film nicht einlösen und hinterließ ein enttäuschtes Publikum. Der Flop war vorprogrammiert, und auch die Kritik war nicht sehr wohlmeinend. Heute ist der Film zwar teilweise rehabilitiert – zumindest in Afficionadokreisen – doch auch ziemlich in der Versenkung verschwunden.
Regisseur Juan Buñuel, Sohn des deutlich bekannteren Luis, lässt es langsam angehen. Wir begleiten Richard auf dem Weg vom trauernden Ehemann zum Besessenen. Der Versuch, den Schmerz durch die Blitzhochzeit mit der überaus anmutigen Catherine zu vermeiden, schlägt fehl. Diese müht sich zwar redlich, kann aber nicht gegen das auf den Sockel gestellte Bild Leonors anstinken. Die nicht verarbeitete Trauer entwickelt sich zunehmend zum Fetisch.
Irgendwann erbricht Richard die vermauerte Gruft wieder und verbringt mehr Zeit mit dem Sarkophag als mit der lebenden Ehefrau. Ab dieser Szene und der kurz darauf erfolgenden Wiederbelebung der toten Leonor verdüstert sich die Atmo deutlich. Wir kriegen nun klassische Mittelalter-Gadgets wie die „Hexenverbrennung“ von Kindern auf dem Scheiterhaufen oder die Pest. Letztere schwebt sozusagen als Sekundenpendel für den kommenden Exodus, das wachsende Grauen über der gesamten Szenerie: Anfangs abstrakt nur in Erzählungen von Richards gereistem Cousin (José Guardiola) präsent, rückt die Pestepidemie im weiteren Verlauf immer näher. Bis zum Ende erreicht sie auch Richards Burg und läutet das Finale ein.
Horror im klassischen Sinne finden wir hier nur in homöopathischen Dosen. Er ist allenfalls angedeutet. Wenn etwa Eleonor als Seelenvampir auf Kinderfang geht, bliebt dies weitgehend außerhalb des Auges des Betrachters. Auch die Bildsprache erinnert in ihrer fast kargen Schlichtheit wenig an opulent gestaltete „Gothic-Streifen“ oder klassisches Gruselkino. In weiten Phasen hat der Film einen fast dokumentarischen Charakter, sieht man einmal von einigen Szenen in Burg und Gruft ab. Der Horror bleibt Metapher für die Seelenqual der Protagonisten, ist aber kein Hauptmotiv des Streifens. Komponist Ennio Morricone liefert mit seinem sparsam eingesetzten Score in bewährter Manier ab: Spinett, Streicher und Oboen, garniert mit dezentem Kinderchor und dem Sopran der unvergleichlichen Edda Dell’Orso. Kann nicht viel schiefgehen damit, Freunde.
Der Streifen ist für Freunde des europäischen Filmschaffens jener Tage eines Blicks wert. Wer Horror erwartet, wird aber keinen bekommen.

Rating: $$$+

Splatter: 1/10





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