OT: Union Station
AT:
Menschen ohne Seele
Jahr: USA 1950
R: Rudolph Maté
B: Sydney Boehm
K: Daniel L. Fapp
M: Ernst Roemheld
D: William Holden, Nancy Olson, Barry Fitzgerald, Lyle Bettger
Quelle: TV (arte)
Im Schnellzug nach Chicago erregen zwei Mitreisende (Lyle Bettger, Don Dunning) den Verdacht der alerten Sekretärin Joyce Willcombe (Nancy Olson). Obwohl die beiden Herren gemeinsam im Auto zum Bahnhof kamen, tun sie im Zug so, als würden sie sich nicht kennen. Zudem hat einer der beiden definitiv eine Kanone unter der Achsel klemmen.
Über den Schaffner (Harry Hayden) meldet sie ihre Beobachtung der Bahnpolizei der Union Station Chicago. Deren Chef, Lieutenant William „Ihr sollt mich nicht Billy nennen“ Calhoun (William Holden), glaubt erstmal an eine weitere hysterische Tante, die sich wichtig tun will. Dennoch nimmt er Joyce persönlich in Empfang und lässt die beiden Verdächtigen im Bahnhof beschatten. Und siehe da: Die beiden Kollegen deponieren einen Koffer in einem Schließfach und stecken dann den Schlüssel erst in einen Umschlag und dann in den Briefkasten.
Die Bahnbullen öffnen das Fach, und finden in dem Koffer nur Klamotten, die Joyce aber sofort als die von Lorna Murchison (Allene Roberts) identifiziert: die blinde Tochter ihres stinkreichen Arbeitgebers. Ein Entführungsfall? Und tatsächlich: Der eingeworfene Umschlag ist an den ollen Murchison (Herbert Heyes) adressiert und enthält die Entführungsmeldung der Schurken, die später eine Lösegeldforderung von 100.000 Dollar folgen lassen.
Obwohl Murchison und auch Joyce keine Polizei wollen, nehmen sich Calhoun und sein Vorgesetzter Inspektor Donnelly (Barry Fitzgerald) mit Verve der Sache an.
Zitate:
Donnelly: „Lasst es wie einen Unfall aussehen.“ (Im Original zwar gesagt, in der deutschen Synchro aber so nicht zu hören).
Joe (Lyle Bettger): „Wie kann man nur für so ein dummes Ding 100.000 Dollar ausgeben?“
Die Kritik des Gunslingers
Rudolph Maté inszenierte eine knappe Handvoll Film Noirs, allesamt solide, aber keine Genremeilensteine. Sein Oeuvre als Kameramann ist dagegen wesentlich größer und auch besser beleumundet. So fotografierte er beispielsweise „Gilda“, „Die Lady von Shanghai“ oder auch Hitchcocks „Auslandskorrrespondent“ und war diverse Male für den Oscar nominiert.
Im Zentrum des vorliegenden Streifens stehen Menschen, denen sämtliche Empathie abhanden gekommen ist. Anführer der Gangster ist Joe Beakum, ein echt schwerer Junge, der sich den Entführungsplan während seines letzten Knastaufenthalts ausbaldowert hat. Beakum ist absolut skrupel- und mitleidlos. Das lässt er nicht nur sein Opfer spüren, sondern auch Freundin Marge: Als ein Cop sie anschießt, lässt er sie ohne rot zu werden auf der Straße zurück. Und auch bei Lorna gibt er sich wenig Mühe, vor ihr das für sie zugedachte weitere Schicksal nach der Lösegeldübergabe zu verheimlichen.
Nicht viel besser allerdings sind die Polizisten, die in ihrer Verbissenheit, die Täter zu schnappen, auch schnell die guten Sitten über Bord werfen. Sie nehmen keine Rücksicht auf mögliche Folgen für das Entführungsopfer, das sie inoffiziell sowieso bereits für tot halten. Dem geschockten Vater spielen sie dagegen eine Komödie vor, damit sie ihn weiter für ihre obsessive Gangsterjagd instrumentalisieren können. Verhöre werden mit knallharten Bandagen geführt: Als einer der geschnappten Gangster nicht auspackt, will ihn Donnelly kurzerhand vor den Zug werfen lassen: „Lass es wie einen Unfall aussehen.“ In der deutschen Synchro sind diese und andere Passagen übrigens so nicht zu finden.
Darüber hinaus kommt auch der Location eine zentrale Rolle zu. So spielen 90 Prozent der Handlung im riesigen Bahnhof, ohnehin Symbol für flüchtige Begegnungen, Abschied und vielleicht auch des Unbehaustseins. Gedreht wurde dafür übrigens in Los Angeles. Dabei bildet der Bahnhof eine Art Mikrokosmos, fast eine eigene Stadt innerhalb der Stadt. Während im Noir-Klischee das Ende auf einer regennassen Straße kommt, flattern hier die Geldscheine durch den nur spärlich erhellten, weit verzweigten Gepäcktunnel.
William Holden und Nancy Olson spielten bereits im gleichen Jahr in „Boulevard der Dämmerung“ zusammen und später in zwei weiteren Filmen. Richtig gehend verheizt wurde hier Jan Sterling, die hier kurz als platinblonde Freundin von Joe Beakum zu sehen ist. Sie hatte häufiger ihre Auftritte im Film noir, bevorzugt als „Bad Girl“. So unter anderem in „Reporter des Satans“ und „Sein großer Kampf“.
Rating: $$$$
Splatter: 1/10