OT: Bob le Flambeur
Jahr: F 1956
R, B: Jean-Pierre Melville
B: Auguste Le Breton
K: Henri Decae
M: Eddie Barclay, Jo Boyer
D: Roger Duchesne, André Garet, Daniel Cauchy, Isabel Caurey
Quelle: TV (arte)
Gangsterlegende Robert „Bob“ Montagnier (Roger Duchesne) hat sein letztes Ding, den Ripp einer Bank, vor 20 Jahren gedreht. Nach längerem Knastaufenthalt führt er seit vielen Jahren bereits das Leben eines selbst bei der Polizei respektierten Halbwelt-Rentiers: Nachts zieht er durch die Bars und Spielhallen im Pariser Amüsierviertel Montmartre, tagsüber ist zumeist Matratzenhorchdienst angesagt.
Doch seit einiger Zeit hat Bob sein Spielerglück verlassen, und so schrumpfen die finanziellen Reserven auf ein sehr überschaubares Sümmchen zusammen. Als er auch noch den größten Teil dieses kläglichen Restes im Casino des normannischen Küstenstädtchens Deauville verzockt, ist Handeln angesagt. Ein Vögelchen zwitschert Bob was von rund 900 Millionen Francs, die regelmäßig am Vortag des jährlichen großen Pferderennens im Safe des Casinos gebunkert sind. Und es ist bald wieder Grandprix …
Also sammeln Bob und sein alter Freund, der erfahrene Schränker Roger (André Garet), ein paar Jungs aus alten Tagen, um noch einmal fett abzukassieren. Doch die glücklose Beziehung von Bobs jungem Schützling Paulo (Daniel Cauchy) zur flatterhaften Anne (Isabel Corey) und Gier gefährden den sorgfältig ausbaldowerten Coup von Beginn an.
Zitate:
„Fassaden, hinter denen es still geworden ist, und Fassaden, hinter denen die Nacht kein Ende findet.“ (Off-Ton und Grundtenor des Streifens)
Bob: „Ich will mit Ganoven nichts zu tun haben.“
Polizist zu Kommissar Ledru (Guy Decomble): „Keine angenehme Aufgabe für Sie, aber was wollen Sie machen?“
Roger: „Die Schlösser sind dem Original nachempfunden. Man muss sie studieren – wie schöne Frauen.“
Die Kritik des Gunslingers
Bei seinem ersten Gangsterfilm, übrigens auch einer der ersten französischen Heist-Streifen, war Jean-Pierre Melville so klamm wie Bob, der Spieler. Daher zogen sich die Dreharbeiten über stolze zwei Jahre hin: Immer wenn wieder Moos in der Kasse war, ging ein telefonischer Rundruf an die Beteiligten, um dann die nächsten Szenen abzudrehen. Doch wurscht. Weder merkt man dem Streifen die knappe Kasse an, noch sind Stimmungsbrüche bemerkbar. Chapeau.
Melville stellt das typische Noir-Personal in den Mittelpunkt seines Films: kleine Fieslinge, gierige Frauen, schmierige Egoisten, Cops, die weniger an mehr Sicherheit interessiert sind, als vielmehr daran, dicke und damit prestigeträchtige Fälle aufzuklären. Mittendrin, als Leuchtturm im Morast sozusagen, steht Bob mit seinen festen Prinzipien und oldschooligen Moralvorstellungen und seiner unprätentiösen Hilfsbereitschaft. So hat Bob nicht nur seiner Bekannten Yvonne (Simone Paris) mit seinem Geld zur eigenen Bar verholfen, sondern auch seinem heutigen Spezl, Kommissar Ledru, einst das Leben gerettet. Auch die durchs Nachtleben treibende Anne, die er und Paulo in einer Bar kennenlernen, nimmt er unter seine Fittiche, nachdem er sie vor dem Zugriff durch den Zuhälter Marc (Gérard Buhr) bewahrt hat. Ein Typ, vor dem man auf der Straße den Hut zieht, der sich nicht verbiegen lässt und trotz seiner guten Kontakte zur Polizei niemals den Spitzel machen würde. Was letztere aus Respekt auch niemals erwarten würde.
Eine besondere Rolle hat Melville den Frauen zugedacht, und schippert damit auch in diesem Punkt im amerikanischen Noir-Fahrwasser. Sie sind die Katalysatoren, um die Weichen in Richtung Abgrund zu stellen. Zum einen ist da sexy Anne: nicht böse, aber gedanken- und irgendwie herzlos. Sie lässt den in sie verknallten Paulo zappeln, anstatt ihm gleich reinen Wein einzuschenken. Als Resultat verrät ihr der Unglückliche den geplanten Deauville-Coup, was sie wiederum unwissentlich an einen Polizeispitzel weitertratscht. Zweitens gibt es Suzanne (Colette Fleury), Gattin von Deauville-Croupier und Bob-Komplizen Jean (Claude Cerval) und Typ unzufriedene Nörglerin. Sie verpfeift den Coup ebenfalls, als sich die Gang weigert, Jeans Anteil zu erhöhen, wie von ihr gefordert.
Großartig wie immer ist die Kameraarbeit von Henri Decae, der zahllose Thriller und Nouvelle-Vague-Streifen fotografierte. Klasse beispielsweise gleich die Aufmacherszene, die das Erwachen der Stadt einfängt: Die letzten Barflies trudeln nach Hause, ein Fahrzeug der Stadtreinigung spült die Reste der Nacht in den Rinnstein. Das gibt auch die vorherrschende Stimmung des gesamten Streifens vor: ein kontinuierliches Zwielicht, das auch in den Bars, Cafés und Hinterzimmern nicht weicht. Mal abgesehen von der kurzen Landpartie, die Bob zusammen mit Anne in seinem lässigen Packard Convertible unternimmt: wie auch die Slot-Machine und Bobs Borsalino-Anzug-Trench-Outfit optische Hommage an das von Melville geschätzte amerikanische Thrillerkino.
Was hier noch fehlt, ist die in späteren Melville-Filmen eigentlich obligatorische Hoffnungslosigkeit und Kälte. So lässt uns der Streifen zwar nicht mit einem astreinen Happyend zurück, wohl aber mit einem Schluss, der Perspektiven offen lässt.
Rating: $$$$
Splatter: 1/10