Jung und unschuldig

OT:
Young and innocent



Jahr: GB 1937
R: Alfred Hitchcock
B: Charles Bennett, Alma Reville, Edwin Greenwood, Anthony Armstrong
K: Bernard Knowles
M: Jack Beaver, Louis Levy
D: Nova Pilbeam, Derrick de Marney, Edward Rigby, Percy Marmont

Quelle: DVD (Pidax). Dank fürs Rezi-Exemplar!

Trailer

Der Tag hätte wahrlich besser verlaufen können für Drehbuchautor Robert Tisdall (Derrick De Marney): Bei einem Küstenspaziergang entdeckt er am Strand eine angespülte Frau. Die nähere Inspektion fördert zutage, dass diese leider tot und zweitens ihm bekannt ist. Es handelt sich um Filmstar Christine Clay (Pamela Carme), erdrosselt mit dem Gürtel eines Regenmantels, der praktischerweise gleich mit angeschwemmt wurde.
Nun kriegt Tisdall kräftig Probleme, denn nicht nur besitzt er einen Regenmantel, wie er zum gefundenen Gürtel passen könnte. Zu allem Überfluss ist dieser, der Mantel, auch noch verschwunden – geklaut kurz zuvor in einer Truckerkneipe. So kann Robert nicht beweisen, dass der Mord-Gürtel nicht von seinem Mantel stammt. Endgültig zu zieht sich die Schlinge, als rauskommt, dass Christine Clay dem chronisch klammen Autor nicht nur ein Drehbuch abgekauft hatte, sondern ihn mit 1.200 Pfund auch in ihrem Testament bedacht hat.
Doch das Schicksal meint es gut mit Robert: „Dank“ seines tölpeligen Anwalts (J.H. Roberts) gelingt ihm kurz vor der Anhörung die Flucht. Zudem glaubt Zufallsbekanntschaft Erica (Nova Pilbeam), Tochter des Polizeichefs (Percy Marmont), an seine Unschuld und hilft ihm bei der Jagd nach Mantel und Mörder.

Zitate:

Sergeant (H.F. Maltby): „Eine Verwundung im Dienst kann dir einen Streifen bringen.“ – Polizist (John Miller): „Was bringt mir ein Streifen, wenn ich keinen Arm mehr habe, um ihn zu befestigen?“ (Es geht darum, Ericas kleinen Hund kurz festzuhalten)

Die Kritik des Gunslingers

Hierzulande ist Alfred Hitchcock vor allem durch seine ab 1940 in Hollywood entstandenen Filme einem größeren Publikum bekannt. Weniger geläufig sind seine davor in Großbritannien gedrehten Streifen, obwohl sie zumeist denselben Hitchcock-Touch atmen, wenn auch oft noch nicht so ausgeprägt. In diesen Filmen entwickelte der Meister seine klassischen Zutaten.
„Jung und unschuldig“ ist eine leichte Angelegenheit und sozusagen beispielhaft für Hitchcocks britische Phase. Typische Hitch-Elemente wie die „Ein-Unschuldiger-wird-gejagt“-Nummer und der schwarze Humor erreichen hier eine frühe Blüte. Dazu kredenzt der Chefkoch ein feines „Suspense“-Süppchen. Letzteres entsteht beispielsweise immer, wenn das Publikum dem Hauptcharakter die spezielle Nasenspitze voraus ist oder durch den limitierten Faktor „Zeit“: Um vor ihrem Vater eine Ausrede für ihr Fernbleiben aufgrund der Fluchthilfe für Robert zu haben, will Erica ihrer Tante (Mary Clare) eine kurze Stippvisite abstatten. Dort steigt aber blöderweise gerade ein Kindergeburtstag, zu dem Erica und Robert nun zwangsverpflichtet werden. Tantchen, die zudem allmählich Lunte riecht wegen des seltsamen Begleiters ihrer Nichte, lässt die Beiden nicht vom Haken. Gleichzeitig läuft natürlich die Zeit gnadenlos weiter, die fehlen wird, um den Mantel zu suchen, denn die Polizei ist ja auch nicht untätig. Ein eigentlich harmloses „Blinde-Kuh-Spiel“ schmeckt Hitchcock so zu einem echten Spannungsmoment ab.
Legendär ist natürlich auch die Tanzsaal-Szene, die Hitchcock zwei Drehtage kostete. Mit einem Spezialkran realisierte er eine Kamerafahrt vom Tisch, an dem Erica und Old Will (Edward Rigby) auf der Suche nach dem Mörder sitzen, über die vollbesetzte Tanzfläche. Sie endet mit einer Großaufnahme des Schlagzeugers der Tanzcombo. Mal abgesehen von der technischen Umsetzung, ist auch diese Szene pure Suspense, denn das Publikum bekommt wieder einen Wissensvorsprung und weiß nun, wo in der Menschenmenge sich der Mörder befindet. Allerdings enthält diese Szene ein heute geschmackloses Beispiel von „Blackfacing“, denn die Musiker, die zum Tanz aufspielen, haben sich alle bis auf den Bandleader Gesichter und Haare schwarz gefärbt.
Der Film lebt auch zu einem Gutteil von seinen Hauptdarstellern, wobei Nova Pilbeam nicht das erste Mal mit Hitchcock gearbeitet hatte: In der ersten Verfilmung von „Der Mann, der zu viel wusste“ hatte sie die kindliche Hauptrolle bekleidet. Kameramann Bernard Knowles fotografierte ab 1935 alle britischen Hitchcock-Filme. Später verlegte er sich selbst aufs Regieführen. Sein letzter Film war der 1967 erschienene TV-Streifen „Magical Mystery Tour“, bei dem Knowles und die Beatles für die Regie kreditiert sind.

Rating: $$$$

Splatter: 1/10





Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.