Mörder kam um Mitternacht, Der

OT:
Un témoin dans la ville

AT:
Appuntamento con il Delitto (I)



Jahr: F/I 1959
R, B: Edouard Molinaro
B: Boileau & Narjeac, Gérard Oury, Alain Poiré
K: Henri Decaё
M: Barney Wilen
D: Lino Ventura, Fabio Fabrizi, Sandra Milo, Robert Dalban

Quelle: TV (arte), DVD (Pidax). Dank fürs Rezi-Exemplar!

Filmausschnitt

Nicht nur, dass ihm sein Ehegespons Jeanne (Françoise Brion) Hörner aufsetzt mit dem reichen Industriellen Pierre Verdier (Jacques Berthier). Als der Jeanne auch noch umbringt, als er ihrer überdrüssig wird, ist‘s für den Speditionsunternehmer Ancelin (Lino Ventura) zu viel – zumal Verdier aus Mangel an Beweisen freigesprochen wird.
Ancelin beschließt also den Tod des Nebenbuhlers. In dessen Villa legt er dem Tunichtgut die Schlinge um den Hals und lässt es wie Selbstmord aussehen. Doch jeder perfekte Plan hat einen Fehler oder zumindest den Zufall nicht mit berücksichtigt. So auch dieser: Kurz vor seinem unfreiwilligen Hinscheiden hatte Verdier nämlich noch telefonisch eine Droschke bestellt. Und Taxifahrer Lambert (Franco Fabrizi) stößt geradezu mit Ancelin zusammen, als dieser die Villa verlässt.
Zu perplex, um konsequent zu handeln, kann sich der Mörder nur noch Firma und Kennzeichen des Taxis notieren. Ohne es zu ahnen, hat Lambert ab jetzt einen Schatten an den Hacken, der nur auf die Gelegenheit wartet, den unliebsamen Zeugen zu beseitigen.

Zitate:

Untersuchungsrichter (Michel Etcheverry): „Niemand sieht wie ein Mörder aus … bis er überführt ist.“

Ancelin: „Reiche Leute haben keine Nachbarn. Die haben nur Bäume um ihre Villen.“ (Auch mit angedrohtem Geschrei kann Verdier also nicht punkten)

Die Kritik des Gunslingers

Edouard Molinaro, eher als Komödienonkel bekannt, inszenierte 1959, also in seiner frühen Schaffenszeit, zwei Film noirs, die heute eher unbekannt sind. Für „Der Mörder …“ wählte er die wohl schwärzeste Variante der klassischen Noir-Handlungsmuster. Schicksal und falsche Entscheidungen sind der Baustoff, aus dem eine schiefe Ebene entsteht. Umkehr ausgeschlossen.
Ancelin ist eigentlich ein rauer, aber gutbürgerlich gewordener Typ, dem das Leben nicht immer gut mitgespielt hat, der sich aber dennoch eine Existenz aufbauen konnte: eine Spedition mit zwei, drei weiteren Fahrern. Diese Fassade ist fragil, denn Ancelin und Verdier leben so etwas wie eine „Ménage à trois“ mit Ancelins Ehefrau Jeanne. Sie ist es dann letztlich, die beide Männer die durch Recht, Gesetz und bürgerliche Konventionen definierten Grenzen sprengen lässt: Beide werden zu Mördern.
Dass Ancelin kein Berufsverbrecher ist, zeigt die Szene, in der er direkt nach dem Mord an Verdier auf den nichtsahnenden Taxifahrer trifft. Anstatt den Zeugen sofort zum Schweigen zu bringen, zögert er, läuft weg. Als er sich doch umentscheidet, sieht er nur noch die Rücklichter des Taxis. Die Jagd beginnt, und er hängt sich an die Fersen Lamberts, der gar nicht zur Polente gehen will, auch als die Morgenzeitungen über den Tod Verdiers berichten. Zum einen hat er wenig Vertrauen in die Ordnungshüter; zum anderen nimmt ihn die Romanze mit Liliane (Sandra Milo) aus der Taxizentrale voll und ganz in Beschlag.
Eine Hauptrolle nimmt die Stadt ein, deren Pulsschlag der Verkehr vorgibt. Autos und U-Bahnen tanzen nach dem Taktstock der Verkehrszeichen und Signale. Menschen werden eingesaugt und ausgespuckt. Auf einen kurzen Café in einem der zahlreichen Bistros. Es wird niemals hell in diesem Kosmos; auch tagsüber hängt ein graues Zwielicht über der Stadt. Leuchtreklamen und der niemals ruhende Verkehr setzen die einzigen Schlaglichter. Die Protagonisten verlassen kaum ihr Verkehrsmittel. Lambert fährt mit der Métro nach Hause, reißt seine Nachtschichten im Taxi ab; Ancelin bleibt ihm auf den Fersen, verfolgt ihn im Mietwagen. Insofern haben wir es fast mit einem Roadmovie auf begrenztem Raum zu tun.
Das Ende kommt auf der Straße – und damit standesgemäß – alles fantastisch fotografiert von Henri Decaё. Der leider sehr sparsam eingesetzte Score ist Stoff aus dem Bebop-Universum, dargeboten in klassischer Quintett-Besetzung: Trompete, Saxophon, Piano, Bass und Drums.

Rating: $$$$+

Splatter: 2/10





Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.